Sommergespräch mit Gunter Frick:                                    Nein zur LEA, Ja zur Konversion


Er ist ein vielbeschäftigter Mann. Also kommt es ihm gelegen, wenn er sich „am Rande der Arbeitszeit“ mit dem Reporter treffen kann – Gunter Frick, 57, Arbeitgeber von rund 430 Menschen und Vorsitzender der elfköpfigen Gemeinderatsfraktion der Freien Bürger Ellwangen.

 

Frick hat ein Treffen am Arbeitsplatz vorgeschlagen – bei der Stahlhandlung Friedrich Kicherer GmbH & Co. KG im Industriegebiet Neunheim. Es ist Punkt 16.30 Uhr und der Hausherr führt den Reporter in einen nüchternen Besprechungsraum im Erdgeschoss. Eine Plexiglasscheibe auf dem Tisch dient als Spuckschutz, Desinfektionsmittel steht daneben. Alles coronakonform, wie der Firmenchef sagt.

 

Womit man schon beim Thema wäre – die Pandemie. Freilich stellt sich zuerst noch eine ganz andere Frage: Wie kommt ein Wirtschaftskapitän zur Kommunalpolitik? Und wie empfindet er die Gemeinderatsarbeit? Manchmal, sagt Frick geradeaus, sei es schon „ätzend“ und manchmal empfinde er es als Herausforderung, entscheiden zu dürfen.

 

Es ist „die Liebe zur Heimatstadt“, die Frick motiviert, sich ehrenamtlich zu engagieren. Zuerst im Gewerbe- und Handelsverein und anschließend im Stadtmarketingverein „Pro Ellwangen“. Seit 2004 ist er Gemeinderat und hat die anderen Ämter aufgegeben.

Die gute Mitarbeit der Fraktion ermögliche es ihm, den Vorsitz zu übernehmen, sagt er. Frick bedauert, dass die Freien Bürger „leider“ keine Frau mehr in ihren Reihen haben. „Der weibliche Sinn und Sachverstand täte unserer kommunalpolitischen Arbeit gut.“

 

Und Corona? Da hält Frick es mit Lothar Wieler. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts habe gesagt, Corona werde die Welt zwei Jahre beschäftigen. „Dann wäre jetzt knapp ein Viertel um.“

 

Wenn man Frick nach einem vergleichbaren Einschnitt fragt, kommt er auf den Architektenwettbewerb für den Marktplatz zu sprechen, der nur „eine steinerne Wüste“ hervorgebracht habe. Der ganze Prozess, sagt Frick, habe Ellwangen unheimlich viel Geld und Zeit gekostet. „Das reißt aus meiner Sicht heute noch Löcher in die Kasse.“

 

Die Innenstadt – das ist Fricks Thema. Anfang März hat sich der Gemeinderat mit Erweiterungsoptionen befasst. Dass der Gutachter gesagt hatte, das Bauhofgelände sei seine erste Expansionsfläche, ging Frick runter wie Öl. Denn vor Jahren hatte er vorgeschlagen, genau dort den Aldi anzusiedeln.

 

Die Bahnlinie sei zwar immer noch ein trennendes Element, sagt er, aber man hätte die Aldi-Kunden schon mal ganz nahe an der Innenstadt gehabt. Doch das wurde abgelehnt und der Discounter ist bekanntlich an die Siemensstraße gezogen.

 

Die Position der Freien Bürger zur LEA ist bekannt. Sie wollen den Vertrag mit dem Land nicht noch einmal verlängern. Ellwangen habe seine Verpflichtung in der Flüchtlingshilfe erfüllt, sagt Frick, nun müssten es andere Kommunen leisten. Er ist sicher, dass die CDU mitzieht.

 

"Deshalb ist es ganz wichtig dass sich die Stadt das Konversionsgelände sichert." Gunter Frick

 

Der Stadtverband habe es in seiner Versammlung von der Fraktion gefordert. Für Frick steht fest: Die Mehrheit des Gemeinderats will es nicht, der OB will es nicht. Also haben die Freien Bürger Michael Dambacher daran erinnert, dass er das Thema LEA aufrufen wollte, damit das endgültige Aus nach sieben Jahren formal beschlossen werden kann.

 

Apropos OB. Dessen erstes Jahr sei nicht leicht gewesen, sagt Gunter Frick. Einige Ämter seien „nicht so top besetzt“, außerdem müsse die Verwaltung Dinge aufarbeiten, die noch nicht bearbeitet gewesen seien. Also bekommt Dambacher von Frick als Schulnote eine glatte „Zwei“.

 

Und was würden die Freien Bürger als erstes Projekt angehen, wenn Corona überwunden ist? „Das Konversionsgelände – ganz klar.“ Frick erläutert: Die Varta-Investition bringe Menschen in die Stadt – neue Einwohner, Familien, Gäste. Ergo brauche es neuen Wohnraum. „Deshalb ist es ganz wichtig dass sich die Stadt das Konversionsgelände sichert.“ „Ellwangen braucht das Gelände dringend. Es könnte ein neuer Stadtteil entstehen.“

 

Aber ist die Konversion überhaupt leistbar angesichts der vielen Projekte? „Wir werden nicht umhin kommen, es zu tun“, antwortet Frick. Wenn die Steuereinnahmen weiter so gut seien, werde sich die Stadt das leisten können. Und man könne darüber nachdenken, die Vermarktung unter bestimmten Vorgaben einem externen Dienstleister zu überlassen oder das Konversionsgelände außerhalb des kommunalen Haushalts zu entwickeln.

 

Corona: Urlaubsrückkehrer entscheiden es

 

Corona wird die Menschheit zwei Jahre beschäftigen. Da ist sich Gunter Frick mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, einig. Erst danach werde man die Folgen beurteilen können, sagt der Freie Bürger. Und wie ist Ellwangen bisher durch die Krise gekommen? Die Gastronomie habe es hart getroffen. Im Sommer habe sie etwas aufholen können.

 

Doch es steht eine Herbst-Winter-Saison bevor und ein Kalter Markt, der nach Fricks Worten fraglich ist, was ewig schade für Ellwangen wäre. Die 100 Infektionen, die es unlängst im Zusammenhang mit einer Trauerfeier in Schwäbisch Gmünd gab, waren beherrschbar. Aber Frick warnt: Ein Einschlag – und alles könne sich schnell ändern. „Ich denke, die Urlauber werden es entscheiden.“

 

Die weitere Entwicklung bereitet dem Unternehmer „gewisse Sorge“. Frick erzählt: Zu Beginn der Pandemie im März hat die Firma Kicherer die Funktionen gespiegelt. Heißt: Abteilungen wurden getrennt, wer in den Büros links und rechts der Straße arbeitet, begegnet sich nicht.

 

Frick mahnt: Mitarbeiter, die im Urlaub unvorsichtig seien, riskierten nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die Funktionsfähigkeit des Unternehmens. Die Firma Kicherer hat 20 berührungslose Fiebermessgeräte angeschafft. Frick misst selbst hin und wieder Fieber, wie er sagt. Ergo: Jeder kann mitbeeinflussen, wie stark die zweite Welle wird.

 

Die Stadt hat nach Fricks Empfinden in der ersten Welle genug getan. Die Ellwanger seien relativ anständig und die Ansteckungszahlen nicht überragend hoch gewesen. „Ich würde sagen, das war ganz gut gemanagt.“

 

Innenstadt: Quartiere Stück für Stück entwickeln

 

Die Ellwanger Innenstadt: Sollte man sie ausdehnen oder besser schützen? Sein Konzept und das seiner Fraktion sehe seit 20 Jahren anders aus als das von Stadtverwaltung und Gemeinderat, sagt Gunter Frick. Er wirbt für eine innerstädtische Quartiersentwicklung. Was er damit meint?

 

Indem man Gebäude zusammenfasse und Quartier für Quartier vorgehe, ergebe sich die Möglichkeit, zu ebener Erde Geschäftsflächen von 150 bis 200 Quadratmeter anzubieten. „Die gibt es in Ellwangen innerhalb der Stadtmauern praktisch nicht.“ In den oberen Etagen vielleicht noch Dienstleistung und Wohnen. Dann, so ist Frick überzeugt, gebe es Flächen für Magneten in der Innenstadt.

 

Außerdem sieht das Konzept der Freien Bürger Fachmarktgrößen von 800 Quadratmeter vor – möglichst nahe der Kernstadt und unmittelbar am Bahnkörper beginnend. Die größeren Filialisten hätten gar kein Konzept für 200 Quadratmeter, sagt Frick. Also müsse man sie nah an die Stadt bringen. „Dann behalten Sie die Menschen in Ellwangen.“

 

Frick nutzt die Gelegenheit und spricht sich erneut für eine Tangentenlösung aus. Sprich: Im Ring um die Altstadt soll der Einzelhandel überall gleiche Bedingungen haben – Haller Straße, Siemensstraße, Sebastian-Merkle-Straße, Sebastiansgraben, Schöner Graben bis zur Stadthalle.

 

Damit seien alle Sondergebiete und Entwicklungsflächen mit erfasst, betont Frick – etwa der Rewe und seine Nachbarn in der Straße An der Jagst, das BAG-Areal und das Bauhofgelände sowie die Parkinsel am Mühlgraben. Ein Genehmigungsrecht im ganzen Bezirk: Das wär’s aus Sicht der Freien Bürger.

 

Landesgartenschau: Freie halten 2026 für fraglich

 

Die Landesgartenschau 2026 – mehr Chance oder mehr Risiko für Ellwangen? Gunter Frick versieht das Durchführungsjahr 2026 mal mit einem Fragezeichen. Nicht nur, weil es zeitlich für die Stadt sowieso schon knapp wird, wie er sagt, sondern auch wegen der Corona-Pandemie.

 

Frick erläutert das so: 2021 finden die kleine Gartenschau in Eppingen und die verschobene Gartenschau in Überlingen statt. „Man kann einfach sagen, die nehmen sich die Besucher weg. Man könnte es noch deutlicher formulieren: Die kannibalisieren sich geradezu.“

 

Nicht jeder wolle oder könne es sich leisten, zwei Gartenschauen zu besuchen – gerade unter Corona-Bedingungen. Wenn es aber massiv zu Lasten der Besucherzahl gehe, werde das Defizit noch größer sein. Deshalb rechnet Frick damit, dass die Gartenschauen um ein oder zwei Jahre verschoben werden müssen.

 

"Wie groß ist der Druck auf den Mann, der das Gesicht der Landesgartenschau darstellt. Am Ende müssen es alle tragen", sagt er.

 

Der Fraktionsvorsitzende erinnert an den Wunsch des Gemeinderats, etwas Nachhaltiges für Ellwangen zu bekommen. „Wir wollen nicht nur die Jagstaue bespielt haben.“ Daher ist den Freien Bürgern im Architektenwettbewerb der Kann-Teil am Wichtigsten, der sich mit der Innenstadt befasst. Doch das sei nicht so festgeschrieben wie vom Gemeinderat gewünscht, kritisiert Frick.

 

Auch die Einbeziehung von Schloß und Stelzenbachtal war „Herzenswunsch“ der Freien Bürger Ellwangen. Das Naturschutzgebiet sanft zu bespielen und über die Innenstadt in die Jagstaue zu kommen: So sieht weiterhin Gunter Fricks Gartenschautraum aus. „Der Schwerpunkt Jagstaue ist okay. Aber er hat viel zu viel Vorsprung.“

 

EATA: Missmanagement und Baudebakel

 

Die Europäische Ausbildungs- und Transferakademie: Zukunftsprojekt oder Millionengrab? Für Gunter Frick ist sie „zunächst einmal ein Baudebakel.“ Die Freien Bürger hätten das Missmanagement erkannt und in den Haushaltsreden 2017 und 2018 einen Projektsteuerer gefordert. Doch der sei von Oberbürgermeister Hilsenbek und der Mehrheit des Gemeinderats abgelehnt worden. „Das war eine eklatante Fehlentscheidung. Der hätte sich längst bezahlt gemacht.“

 

Aber Frick will nicht nachkarten. Das Projekt sei von sehr vielen Förderungen begleitet und beschlossen worden, als in Deutschland die Auszubildenden knapp geworden seien. Zugleich sei damit zu rechnen gewesen, dass junge ausbildungswillige Menschen hierher kämen.

 

„Der Plan war okay, auch ich habe für die EATA gestimmt.“ Inzwischen hätten sich aber Bauausführung und Baufortschritt defizitär entwickelt und die jungen Menschen hätten oftmals Heimweh und täten sich schwer zu bleiben. Ergo könnte die Grundlage entfallen sein, „dass wir die EATA mit süd- und osteuropäischen Jugendlichen jemals gefüllt kriegen“.

 

Was die Mehrkosten angeht, stellt sich für Frick die Frage, ob sie alleine an der Stadt Ellwangen hängen bleiben müssen. Schließlich habe die EATA viel mit Europa zu tun. Und wenn man nicht mehr von einer Vollbelegung ausgehen kann, sieht er gute Chancen durch die Gesundheits- und Pflegeakademie.

 

Studentenwohnungen im EATA-Komplex wären für ihn „eine gute Lösung“. Apropos: Die Gesundheitsakademie sieht er im historischen Teil der Kaserne, aber nicht beim Krankenhaus. Dort oben sei alles schon ziemlich verdichtet.

 

Finanzen: Mutig in die Zukunft blicken

 

Die Haushaltslage ist angespannt: Sollte die Stadt mehr sparen oder antizyklisch investieren? Für Gunter Frick zeigen sich die Stadtfinanzen „erstaunlich robust“. Er verweist auf aktuell steigende Gewerbesteuereinnahmen. Der gesunde Unternehmensmix sei ein Glücksfall. Man sei nicht abhängig von stark gebeutelten Branchen.

 

Dennoch hat der Gemeinderat einer Haushaltssperre zugestimmt. Wenn der Stadtkämmerer entsprechend mahne, sei man als Kommunalpolitiker geneigt, ihm zu folgen, sagt Frick. Vielleicht sei der Gemeinderat übervorsichtig gewesen und dem Kämmerer vorschnell gefolgt. Dass die Entscheidung falsch war, will Frick nicht sagen. Sie sei eben von Vorsicht und Umsicht geprägt gewesen. Umso schöner sei es, die Haushaltssperre nach drei, vier Monaten wieder aufzuheben.

 

"Man sollte immer so planen, als ob Corona schnell vorbei wäre."

 

Und danach? „Man sollte immer so planen, als ob Corona schnell vorbei wäre“, empfiehlt Frick. Die Stadt sollte mutig in die Zukunft blicken und sich Dinge vornehmen. Das tue er als Unternehmer ja auch. Dazu gehört seiner Meinung nach, auf die Kosten zu achten und vielleicht einige Dinge anders zu machen.

 

Die „zersiedelte Bürolandschaft“ der Verwaltung etwa ist seiner Meinung nach nicht zukunftsgerichtet. Die Stadt sollte sich sukzessive von angemieteten Flächen lösen und in der Innenstadt was eigenes bauen oder kaufen.

 

Dass sich die Stadt in dieser Phase einen neuen Kämmerer suchen muss, ist Frick zufolge kein Problem. Es gebe gute jüngere Mitarbeiter im Rathaus und eventuell die Chance, den einen oder anderen, der Ellwangen verlassen habe, zurückzuholen. „Ich habe da gar keine Bedenken.“

 

 

Quelle: Ipf-und-Jagst-Zeitung vom 18.08.2020, Autor Alexander Gässler

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